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Führerschein und Fahrverbot: LKW Führerschein u. Fahrverbot

Beleidigung und Wahrnehmung berechtigter Interessen (Urteil)

Urteil89

1. Die Ehre kann auch durch Vorwürfe verletzt werden, die sich auf das Sozial-verhalten des Betroffenen wie etwa die Art seiner Dienst- oder Berufsausübung beziehen.
2. Maßgeblich für die Abwägung zwischen den Rechtsgütern der durch § 185 StGB geschützten persönlichen Ehre und der Freiheit der Meinungsäußerung ist, ob die Ehrkränkung noch ein adäquates Mittel für die Wahrnehmung berechtigter Interessen war.
KAMMERGERICHT BERLIN Beschluss v. 27.09.2000 (5) 1 Ss 365/99 (15/00)
Vorschriften:
StPO § 335 Abs. 1
StPO § 467 Abs. 1
StGB § 193
StGB § 185

Sachverhalt:

Das Amtsgericht hat die Angeklagte wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von zehn Tagessätzen zu je 20,-- Euro verurteilt
Nach den von dem Amtsgericht getroffenen Feststellungen geriet die Angeklagte mit dem Zeugen D, einem Polizeibeamten, in Streit, als der Zeuge ihr zwei Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung vorhielt, die sie nach seiner Auffassung begangen hatte. Im Verlauf der heftiger werdenden Diskussion bemerkte die Angeklagte: "Sie sollten sich lieber um andere Sachen kümmern, auf Spielplätzen werden Kinder vergewaltigt und Sie stehen hier ´rum." Als ihr der Zeuge daraufhin entgegnete, sie riefe ja auch die Polizei, wenn irgend etwas vorgefallen sei, äußerte sie: "Das würde ich nie tun, weil ja bekannt ist, daß die Polizei Faschisten schützt und Leute auf der Wache verprügelt."

Das Amtsgericht hat in der ersten Äußerung der Angeklagten eine weder durch das Grundrecht der Freiheit der Meinungsäußerung noch durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigte Beleidigung des Polizeibeamten gesehen. Der Angeklagten, der bekannt sei, daß auch die Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten zu den Aufgaben der Polizei zähle, sei es bei der Äußerung "ganz eindeutig" darum gegangen, den Beamten in seiner Person als Polizist und in seinem konkreten Handeln herabzuwürdigen.

Zur zweiten Bemerkung hat das Amtsgericht die Auffassung vertreten, sie er-fülle keinen Straftatbestand, weil die Angeklagte sie nicht auf den ihr gegen-überstehenden Beamten oder auf andere konkrete Personen, sondern auf die Polizei in ihrer Gesamtheit bezogen habe und Vorkommnisse, wie sie die Angeklagte erwähnt habe, bedauerlicherweise nicht selten vorkämen.
Die Angeklagte hat mit einer Sprungrevision die Verletzung sachlichen Rechts gerügt.

Lösung des Gerichts:

Das Kammergericht hat auf die Revision der Angeklagten das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und die Angeklagte freigesprochen.

Das Gericht hat hierzu ausgeführt, dem Amtsgericht könne, soweit sie die erste Äußerung der Angeklagten betreffen, nicht gefolgt werden.
Die Äußerung erfüllt nicht den Tatbestand der Beleidigung. Selbst wenn man insoweit einen anderen Maßstab anlegen wollte, wäre sie durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt.

Unter einer Beleidigung ist der Angriff auf die Ehre eines anderen durch vorsätzliche Kundgabe der Mißachtung oder Nichtachtung zu verstehen . Die Ehre kann auch durch Vorwürfe verletzt werden, die sich auf das Sozialverhalten des Betroffenen wie etwa die Art seiner Dienst- oder Berufsausübung beziehen. Nicht jede kritische Bemerkung hierzu ist aber bereits ehrenrührig. Diese Grenze überschreitet erst eine Äußerung, die dem Betroffenen die sittliche Integrität abspricht. Das ist der Fall, wenn ihm unverdientermaßen ein pflichtwidriges Versagen von einigem Gewicht zur Last gelegt wird . Dabei ist maßgeblich nicht wie der Betroffene, sondern wie ein Dritter die Äußerung versteht .

Hier hat die Angeklagte mit der von dem Amtsgericht als Beleidigung angesehenen Bemerkung dem Zeugen T kein pflichtwidriges Verhalten vorgeworfen. Für beide Streitenden war offenkundig, daß der Aufgabenbereich des Zeugen durch seine Vorgesetzten festgelegt war und der Zeuge hierauf allenfalls geringen Einfluß hatte. Die Kritik der Angeklagten richtete sich jedenfalls hauptsächlich dagegen, daß nach ihrer Auffassung die Dienstkräfte der Polizei von ihrer Führung nicht den Erfordernissen entsprechend eingesetzt werden. Eine Herabwürdigung des Zeugen selbst enthielt die Äußerung der Angeklagten nicht

Das Urteil könnte aber auch keinen Bestand haben, wenn man die Bemerkung der Angeklagten als für den Zeugen ehrkränkend ansähe, weil die Angeklagte dann in Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) und deshalb nicht rechtswidrig gehandelt hätte.

Bei der Auslegung und Anwendung des § 193 StGB haben die Gerichte zu beachten, daß der in dieser Bestimmung enthaltene Rechtfertigungsgrund eine besondere Ausprägung des in Art. 5 Abs. 1 GG normierten Grundrechts der freien Meinungsäußerung darstellt und daher der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts hinreichend Rechnung getragen werden muß. Dabei ist von Bedeutung, daß das Ausmaß des Schutzes des Art. 5 Abs. 1 GG vom Zweck der Meinungsäußerung abhängt. Bezieht sie sich auf eine die Öffentlichkeit wesentlich berührende Frage, so ist sie stärker geschützt als eine Äußerung, die lediglich der Verfolgung privater Interessen dient . Maßgeblich für die Abwägung zwischen den Rechtsgütern der durch § 185 StGB geschützten persönlichen Ehre und der Freiheit der Meinungsäußerung ist dann, ob die Ehrkränkung noch ein adäquates Mittel für die Wahrnehmung berechtigter Interessen war .

Diese Abwägung fällt hier zugunsten der Angeklagten aus. Die Frage, ob die vorhandenen Polizeikräfte optimal eingesetzt werden, um die öffentliche Sicherheit in größtmöglichem Umfang zu gewährleisten, ist für die Allgemeinheit von beträchtlicher Bedeutung. Dementsprechend nimmt sie in öffentlichen Diskussionen breiten Raum ein. Hingewiesen sei etwa auf die Erörterung, ob sich die Polizeiführung bei ihren Maßnahmen zur Überwachung des Straßenverkehrs zu stark von fiskalischen Erwägungen leiten läßt. Im Vergleich hierzu ist es für die Allgemeinheit noch weitaus wichtiger, ob die Verhinderung schwer-wiegender Straftaten für die Polizei in dem gebotenen Maße Vorrang vor der Verfolgung geringfügiger Verkehrsordnungswidrigkeiten hat. Hierzu Stellung zu nehmen hat auch der einzelne schon deshalb Anlaß, weil diese Frage seine eigene Sicherheit unmittelbar berühren kann. Er muß dieses Recht auch konkret gegenüber Angehörigen der Polizei, mit denen er in Kontakt kommt, wahrnehmen dürfen, weil er andere Möglichkeiten zu Kritik kaum hat. Nur dies hat die Angeklagte hier getan. Ob ihre kritische Äußerung gegenüber dem Zeugen T sachlich gerechtfertigt gewesen ist und rational oder emotional begründet war, ist im Rahmen der Güterabwägung zwischen Ehre und Freiheit der Meinungsäußerung unbeachtlich .

Das Amtsgericht hat in der zweiten Äußerung der Angeklagten mit Recht keine Beleidigung gesehen. Eine durch eine Gesamtbezeichnung gekennzeichnete Personenmehrheit ist nur beleidigungsfähig, wenn sie so deutlich aus der Allgemeinheit hervortritt, daß der Kreis der beteiligten Einzelpersonen scharf um-grenzt ist . Das ist bei "der Polizei" anzunehmen, wenn aus dem Gesamtzusammenhang der Äußerung hervorgeht, daß eine örtlich und persönlich ab-grenzbare Gruppe von Polizeiangehörigen gemeint ist . Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Ausführungen zu § 193 StGB erübrigen sich in diesem Fall.

Bedeutung für die Praxis:

Im vorliegenden Fall fällt zunächst auf, dass die Angeklagte zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen verurteilt wurde. Eine Berufung gegen dieses Urteil hätte demgemäß der Annahme gemäß § 313 StPO bedurft.
Sofern es dem Verteidiger nicht gelingt, in seiner Berufungsbegründung Gründe vorzutragen, die eine Annahme rechtfertigen, also z.B. neue Beweismittel zu benennen, wird die Berufung regelmäßig nicht angenommen.
Da der Sachverhalt im vorliegenden Fall offensichtlich unstreitig war, somit neue Beweismittel und eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes kaum in Betracht kamen, hätte das Verfahren im vorliegenden Fall somit bei Einlegung einer Berufung ein schnelles Ende gefunden: Nichtannahme der Berufung durch (unanfechtbaren) Beschluss.
Demgegenüber ist die Revision in einem solchen Fall nach § 335 Abs. 1 StPO zulässig, ohne daß es darauf ankommt, ob die Voraussetzungen für eine Annahme der Berufung vorgelegen haben .
Die Revision war somit im vorliegenden Fall das einzige Mittel, den Fall einer (weiteren) Überprüfung zuzuführen.
In der Sache erstaunt die (großzügige) Auslegung des Kammergerichts. Dabei ist zunächst festzustellen, dass die Staatsanwaltschaften und Gerichte sich oftmals (richtigerweise) schützend vor Polizeibeamte im Dienst stellen. Während viele Verfahren, soweit Privatpersonen mit Beleidigungen betroffen sind, unmittelbar eingestellt und auf den Privatklageweg verwiesen werden, hat die Beleidigung eines Polizeibeamten - wie im vorliegenden Fall - regelmäßig ein Strafverfahren zur Folge.
Dabei sollte jedoch berücksichtigt werden, dass es eigentlich nur menschlich ist, dass immer wieder aus Aufregung und Verärgerung über polizeiliches Handeln von Seiten der betroffenen/kontrollierten Personen Worte fallen, die über das eigentliche Ziel - Ausdruck der Betroffenheit/Verärgerung - hinausschießen, einen persönlichen Charakter gegenüber dem jeweiligen Polizeibeamten annehmen.
Ein souveräner und verständiger Polizeibeamter erkennt dies und unterlässt in einem solchen Fall (selbstverständlich) weitere Maßnahmen, z.B. eine Strafanzeige - nicht so in diesem Fall.

Das Kammergericht hat jedoch mit guten Gründen keine beleidigenden Äußerungen der Angeklagten erkennen können, da die Angeklagte dem Polizeibeamten gerade kein pflichtwidriges Verhalten vorwarf.
Bemerkenswert ist allerdings, dass das Kammergericht selbst in dem Fall, dass von einer beleidigenden Äußerung auszugehen sei, die Voraussetzungen der "Wahrnehmung berechtigter Interessen" gem. § 193 StGB angenommen hat.
Die Vorschrift des § 193 StGB scheint vielfach in Vergessenheit geraten zu sein, obwohl sie doch nichts anderes als ein Ausfluss des hohen Gutes des Rechts auf freie Meinungsäußerung ist. Die Grundsätze, die das Kammergericht in diesem Fall aufgestellt hat, sind sicherlich in vielen Fällen der "Beamtenbeleidigung" heranzuziehen und führen dann zu einer Straflosigkeit der beanstandeten Äußerung, sofern sie jedenfalls (noch) adäquates Mittel der Wahrnehmung berechtigter Interessen ist.
Der Verteidiger sollte somit in jedem Einzelfall die beanstandete Äußerung dar-auf überprüfen und ggf. Staatsanwaltschaft und Gericht an § 193 StGB erinnern.


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