Ein Beitrag von Rechtsanwalt Urs Jarfe
Ausländische Lkws, die auf Spaniens Straβen unterwegs sind, unterstehen zwei Rechtsordnungen: Erstens den allgemeinen nationalen Straβenverkehrsvorschriften, die beispielsweise Geschwindigkeits- oder Alkoholgrenzen regeln; zweitens dem spezifischen „Transportrecht“, das etwa Aussagen über die Fahr- und Ruhezeiten, ihre technische Aufzeichnung, mitzuführende Dokumente, den Umgang mit Gefahrgütern usw. trifft.
Die auf den Straβen anzutreffende Streifenpolizei kann entweder die alsPolicíabezeichnete Polizei oder die Guardia Civilsein. Während allerdings die Policíafür innerstädtische Gebiete zuständig ist, obliegt die Überwachung des Autobahnverkehrs der Guardia Civil. Sie ahndet (vermeintliche oder tatsächliche) Rechtsverstöβe durch eine als Anzeige (denuncia) umschriebene Mitteilung gegenüber der für den Streckenabschnitt zuständigen Straβenverkehrsbehörde.
„Begegnungen“ zwischen Guardia-Civil-Streifen und ausländischen Lkws laufen fast immer nach demselben Schema ab: Zu schnell fahrende, „verdächtige“ oder aus sonstigen Gründen für kontrollbedürftig befundene Fahrzeuge werden angehalten; die Beamten inspizieren sodann das Fahrzeug sowie die Dokumente der Fahrer. Dabei entdecken sie eine (vermeintliche oder tatsächliche) Ungereimtheit, können sich aber infolge einer fehlenden gemeinsamen Sprache kaum über diese mit den Fahrern verständigen.
Trotz der in solchen Situationen oft nur unzureichend ausermittelten Sachlage wird dann praktisch immer – quasi vorsorglich - Anzeige erstattet. Typische Ursachen für fehlerhafte Anzeigen sind neben den bereits erwähnten verbalen Verständigungsproblemen eine unrichtige Deutung ausländischer Dokumente, beliebige Anwendung nicht einschlägiger Buβgeldnormen, mehrfache Subsumtion desselben Sachverhalts unter verschiedene Buβgeldtatbestände bei simpler Addition der zu zahlenden Beträge oder schlicht unverhältnismäβige hohe Sanktionen.
Wie läuft das Verfahren ab? Auf einem vorgedruckten Formular zitieren die Beamten die aus ihrer Sicht anwendbaren Vorschriften aus dem „Gesetz über den terrestrischen Transport“ (Ley Orgánica del Transporte Terrestre) und verhängen zugleich selbst die entsprechenden Buβgelder (sanciones), die wie angedeutet in vielen Fällen unverhältnismäβig hoch sind.
Das Problem dabei: Ausländischen Lkws wird die Weiterfahrt nur erlaubt, wenn der Buβgeldbetrag als Kaution sofort und in bar bezahlt wird. Anderenfalls wird das Fahrzeug durch Beschlagnahme an der Weiterfahrt gehindert. Mit anderen Worten: Ganz unabhängig von der Frage, ob die Polizeistreife den Tatbestand vollständig erfasst oder die Sanktionsvorschriften richtig angewendet hat, wird das im Ausland ansässige Transportunternehmen zunächst zur Zahlung zwangsverpflichtet, sofern es den betreffenden Lastwagen nicht monatelang entbehren kann. Doch damit nicht genug, denn nur die wenigsten Fahrer können kurzfristig mehrere Tausend Euro Bargeld bereitstellen. Die Folge ist, dass ausländische Lkws, die unter dem Verdacht einer Ordnungswidrigkeit stehen, in nahezu allen Fällen zunächst einmal auf einem Betriebshof der Guardia Civillanden.
Bereits in diesem Stadium des Verfahrens kann es ratsam sein, einen Rechtsanwalt zu beauftragen, der bei der Freigabe des Lkws behilflich ist. Im Regelfall erfolgt die Kautionszahlung nicht über eine Anwaltskanzlei, sondern durch Beauftragung eines auf Kautionszahlungen spezialisierten und behördlich akkreditierten Unternehmens. Auf diesem Wege kann zumindest die Beschlagnahme innerhalb weniger Tage aufgehoben werden.
Die eigentliche juristische Auseinandersetzung um die behaupteten Rechtsverstöβe hat zu diesem Zeitpunkt allerdings gerade erst begonnen. Denn mit der Weiterleitung der eingangs erwähnten Anzeige an die für den fraglichen Autobahnabschnitt zuständige Verkehrsbehörde gehen die Ermittlungen formal auf diese über. In der Praxis erlässt die besagte Behörde auf Grundlage der polizeilichen Anzeige – und meist nach monatelanger Bearbeitungsdauer - einen inhaltsgleichen eigenen Bescheid mit einem sogenanten Buβgeldvorschlag (propuesta de sanción), dessen Adressat der Eigentümer des Lkws, also das ausländische Transportunternehmen, ist.
Der Buβgeldvorschlag stellt das Speditions- oder Transportunternehmen vor die folgende Alternative: Es kann die behördlich zugrundegelegten Tatsachen als zutreffend akzeptieren und sich mit dem Buβgeldvorschlag einverstanden erklären. Das Einverständnis beinhaltet einen ausdrücklichen Verzicht auf ein Rechtsmittel und bewirkt eine Beendigung des Verfahrens. Im Gegenzug werden 25% des Buβgeldes erlassen. In Fällen, die in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eindeutig sind, kann ein solches Einverständnis durchaus ratsam sein. Die Einverständniserklärung ist innnerhalb von 15 Tagen ab Erhalt des Buβgeldvorschlags abzugeben und sollte zum Beweis der Zustellung durch einen spanischen Rechtsanwalt erfolgen. Wird diese Frist versäumt oder bleibt der Lkw-Unternehmer untätig, so erlischt das Recht auf eine vorzeitige Verfahrensbeendigung und den 25%igen Buβgelderlass.
Die andere Möglichkeit besteht darin, dass das betroffene Unternehmen der Verkehrsbehörde seine abweichende Version der Tatsachen schildert und bestimmte Beweismittel anbietet. Für diese Stellungnahme hat es dreiβig Werktage ab Zustellung des Buβgeldvorschlags Zeit. Auch sie hat zur Folge, dass das Recht auf den 25%igen Buβgelderlass erlischt.
Auf Grundlage der Reaktion des Spediteurs (d.h. auch wenn er überhaupt nicht reagiert) ergeht dann der eigentliche Buβgeldbescheid (acuerdo de sanción). Gegen ihn kann wiederum innerhalb eines Monats ab Zustellung Widerspruch (recurso de alzada) erhoben werden, über den die übergeordnete Behörde entscheidet. Erfahrungsgemäβ weicht aber auch die Aufsichtsbehörde nur bei offenkundigen Fehlern vom Inhalt des Buβgeldbescheides ab.
Gegen den Widerspruchsbescheid ist dann der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten (Juzgados de lo Contencioso-Administrativo) eröffnet, wo im Allgmeinen die gröβte Aussicht auf eine unparteiische und technisch korrekte Beurteilung des Falles besteht. Für Gerichtsverfahren in Spanien gilt unter anderem die Besonderheit, dass neben dem Rechtsanwalt ein sogenannter Prozessagent (procurador) beauftragt werden muss, ohne dessen Auftreten eine Partei als prozessual nicht vertreten gilt.
Behörden und Gerichte arbeiten vielfach ohne allzu groβe Hektik. Zwischen der polizieilichen Anzeige und dem engültigen Widerspruchsbescheid vergeht oft mehr als ein Jahr; auch ein Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht ist selten vor Jahresfrist beendet. Ein juristischer Kampf um die Rückzahlung unberechtigt erhobener Buβgelder erfordert also fast immer einen langem Atem.
Urs
Jarfe
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